Inhaltsverzeichnis
Diskurstätigkeiten
Diskurstätigkeiten
-
Begründen
Beim Begründen geht es vor allem um die Verringerung bzw. das Verstummen eines tatsächlichen oder vermuteten Zweifels gegenüber einem Sachverhalt. Der Sprecher ist verpflichtet, Gründe für das Gelten seiner Erklärung nennen zu können, und der Hörer der Erklärung ist berechtigt, solche Gründe einzufordern, wenn er im Zweifel ist. Die Situation des Begründens ist also vom Zweifel geprägt und nicht von einem Wissensdefizit. Es geht um den Geltungsanspruch einer Aussage (wahr oder falsch), also einen Wahrheitsanspruch. Das Begründen dient als Kontrolle des Erklärens im sozialen Diskurs. (vgl. Kiel, WiWiWi 1, S. 63)
-
Beschreiben
Methode des sprachlichen Umgangs mit Gegenständen mit dem Ziel der möglichst sachlichen Wiedergabe unter Verwendung folgender rhetorischer Fragewörter: Welche? Wer? Was? Wie? Wo? und folgender Leitfragen:
Was für Elemente sind vorhanden?
Welches sind die angenommenen Eigenschaften der Elemente?
Wie ist die angenommene Beziehung dieser Elemente?
Wie wird mit dem Elementen und ihren Beziehungen umgegangen?
Wie sieht der Beobachter bzw. Beschreibende die Elemente und ihre Beziehungen? Wie sehen andere diese?
Akte: Beschreiben, auflisten, benennen, Bezüge und Analogien herstellen, definieren, abgrenzen, einordnen in Kontexte, attribuieren, einwirken (experimentieren, befragen, herstellen) (in Anlehnung an Kiel 2001 in Hug, WiWiWi1, S. 59)
-
Bestreiten
Das Bestreiten ist eine herausfordernde Position, sie bringt Dynamik in den Diskurs. Je nachdem, ob Wahrheit oder Bewertung bestritten werden, kommt es zu Handlungen des Begründens bzw. Beweisens oder Rechtfertigens (Kiel, 2001, S. 64)
-
Beweisen
steht dem Begründen nahe, wird aber nur im Kontext der Natur- und formaler Wissenschaften gebraucht als besonders stringente Form des Begründens eines (formalen oder kommunikativen) Wahrheitsanspruchs. Zweifelsfrei nur möglich in axiomatischen Systemen. (Kiel WiWiWi 1, S. 64)
-
Bewerten
"Beim Bewerten geht es darum, über Aspekte, die beim 'Beschreiben' oder 'Interpretieren' genannt wurden, positive oder negative Aussagen zu fällen. ... Die Leitfragen auf dieser Ebene lauten: Welche Elemente und welche Beziehungen sind zu bewerten? Welche Gültigkeit lässt sich durch eine Bewertung herausfordern oder bestätigen? Welcher Maßstab liegt der Bewertung zugrunde? Zu welchen Ergebnissen würden andere mit den gleichen oder mit anderen Maßstäben kommen? Auch hier wird - wie bei der interpretierenden Ebene - die Angabe von Gründen erwartet." (Kiel in WiWiWi1, S. 60)
Bewertungsmaßstab: subjektiv ./. klar festgelegt und standardisiert. Bewertungsmaßstäbe intersubjektiv nachprüfbar?
Sollten/können Werturteile Inhalt wissenschaftlicher Aussagen sein?
-
Erklären
wesentlich: ein tatsächliches oder vermutetes Wissensgefälle zwischen demjenigen, der erklärt, und demjenigen, dem erklärt wird. Ziel im Diskurs ist der Ausgleich dieses Wissensdefizits beim Hörer/Leser dadurch, dass vor dem Erklären nach den Bedingungen eines Sachverhalts gefragt wird, worauf die Erklärung folgt. Dabei bezeichnet man das zu Erklärende als Explanandum und die Bedingungen als Explanansbedingungen (vgl. Kiel WiWiWi 1, S. 62). Es geht um die Sache selbst.
Pragmatisch sind Erklärungen von Interessen abhängig:
"Wenn erklärt werden soll, weshalb die Person A tot ist, dann kann im Bericht des Pathologen stehen: Tod durch Barbituratintoxination und hierdurch hervorgerufener Atemstillstand. Für die Polizei ist die Erklärung Tod durch Selbstmord wichtig, denn sie muß nun kein Ermittlungsverfahren wegen Mordes einleiten. Die Angehörigen können den Tod dadurch erklären, daß die Person A dreimal durch das Staatsexamen gefallen ist und sie ihre Existenzgrundlage vernichtet sah." (Kiel, Habil, S. 50)
Bsp. H-O-Schema:
Singulärer SV: A hat die Menge N1 des Barbiturats Typ 0 zu sich genommen.
Singulärer SV: A wiegt 100kg.
...
Statistisches Gesetz: Wenn Menschen mit einem Gewicht von 100kg die Menge N1 vom Barbiturat Typ 0 zu sich nehmen, besteht nach x Stunden die Wahrscheinlichkeit von y %, dass sie sterben.
Explanandum: A ist gestorben.
Im Anschluss an eine geprüfte Erklärung besteht sprachpragmatisch die Obligation, die gegebene Erklärung so lange zu akzeptieren, bis Gegengründe aufgeführt werden, die die Erklärung revidieren oder zumindest entkäften. Siehe Bezweifeln!
-
Interpretation, Begriffsbedeutungen
erklärende Interpretation = über ein zu bekannten Tatsachen gehörendes, aber nicht erkennbares "Dahinterliegendes" angeben, produzieren
Wahrnehmungsinterpretation = Ergänzung einzelner Sinneseindrücke zu einem Wahrnehmungsgegenstand, z.B. Wahrnehmung eines Geräuschs
theoretische Interpretation = Ermittlung passender nomologischer Gesetze, die zur Erklärung bekannter Wahrnehmungstatsachen dienen: Messreihe Kugeldurchmesser bei Erhitzung um jeweils 25 - Kugel dehnt sich aus - Naturgesetz
konkretisierende Interpretation = Fortentwicklung einer vorgegebenen, aber nicht volldeterminierten (Quasi-)Handlungsanweisung zu Anwendungszwecken - Interpretation eines Musikstücks, eines Gesetzestextes, der Bibel
kunstkritische Interpretation = Analyse der subjektiven (ästhetischen) Wirkungen eines Produkts, seiner historischen Bedeutung und Funktion - germanistische, kunsthistor. I.
formalsemantische Interpretation = Funktion, die einer formalen Sprache eine Bedeutung zuordnet, den Gegenstandskonstanten dieser Sprache je einen Gegenstand, den Prädikatskonstanten je eine Extension und den (komplexen) Sätzen dieser Sprache in definierter Weise einen Wahrheitswert - alle Interpretationen erfüllen diese Funktion (vgl. Christoph Lumer: Pragmatische Argumentationstheorie, Braunschweig 1990, S. 232f.)
Aushandeln konsensfähiger Situationsdefinitionen (lt. Habermas ThkH, Bd.1, 128)
-
Interpretieren
= "Schlussfolgern und Zumessen von Bedeutung nach dem Beschreiben durch die Angabe von Gründen für Elemente und ihre Beziehungen" (Kiel in WiWiWi1, 2001, 60)
"Wesentlich für das Interpretieren ist das Ziehen von Schlussfolgerungen und das Zumessen von Bedeutung, um Neues in Bekanntes zu integrieren ... Die Leitfragen auf dieser Ebene lauten: Warum und wozu sind diese Elemente und ihre Beziehungen ausgewählt worden? Warum und wozu wird so mit den Elementen und ihren Beziehungen umgegangen? Warum und wozu sehen andere Personen die Elemente, ihre Beziehungen und den Umgang mit den Elementen und ihren Beziehungen anders? Dabei steht das 'warum' hier für kausale Überlegungen und das 'wozu' für finale teleologische Überlegungen" (Kiel in WiWiWi1, S. 59, Auslassung: F.R.). Siehe auch Interpretation!
-
Rechtfertigen
Mit dem Rechtfertigen soll ein Komplex aus Zweifel, möglichem Bestreiten und die daraus resultierende (negative) Bewertung ausgeräumt werden. Es wird ein Geltungsanspruch erhoben, dass eine bestimmte Maßnahme, Handlung, ein method. Vorgehen richtig gewesen sei oder sein wird. Ziel: Herbeiführung einer positiven Bewertung.